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Entwicklung der Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen mit Schwerpunkt auf der Beschreibung der gegenseitigen Beziehungen in der Gemeinde Prapořiště

Fortschrittliche Arbeit

Prag 1998

Ing. Petr Kokaisl

Leiter der Studienarbeit: PhDr. Jan Pargač,CSc.


Einführung

Schwerpunkt

Dieser Beitrag richtet den Blick auf das Gebiet rund um das Dorf Prapořiště (Braunbusch). Es dient als Beispiel dafür, wie sich das Zusammenleben von Tschechen und Deutschen in Böhmen in den Jahren unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gestaltet hat. Das Untersuchungsgebiet liegt in der Nähe des Všeruby- (Neumark-)Passes im Böhmerwald. Während das sogenannte Sudetenland in vielen Regionen weit in das Landesinnere der Tschechoslowakei hineinreichte, verlief seine Grenze hier ungewöhnlich nah an der Staatsgrenze – nur etwa fünf Kilometer entfernt. Auf deutscher Seite lagen Všeruby (Neumark), Hájek (Donau) und Brůdek (Fürthel), auf tschechischer Seite Prapořiště und Kdyně.

Ziel der Studie ist es, die Beziehungen zwischen der größten nationalen Minderheit der Vorkriegs-Tschechoslowakei und der tschechischen Bevölkerung nachzuzeichnen. Dabei wird berücksichtigt, dass das Zusammenleben von Region zu Region sehr unterschiedliche Formen annahm und überall seine eigenen Besonderheiten aufwies. Ein kurzer Blick in die Geschichte soll zusätzlich helfen, die Wechselwirkungen zwischen beiden Gruppen besser zu verstehen. Der Text erhebt keinen Anspruch auf eine umfassende Generalisierung; vielmehr möchte er einen weiteren Zugang zu einem komplexen Thema eröffnen.

Die Untersuchung beschreibt sowohl persönliche als auch institutionelle Kontakte zwischen tschechischen und deutschen Bewohnern, ihre Entwicklung – oder im Gegenteil ihren Abbruch – in den Jahren nach 1938 und 1945. Auch die heutigen Beziehungen werden berücksichtigt.

Meine Urgroßeltern betrieben einen Bauernhof in Prapořiště (Braunbusch). Einige der damaligen Nachbarn und ehemaligen Beschäftigten – Deutsche, die nach dem Krieg vertrieben wurden – standen mir als Gesprächspartner zur Verfügung. Teile des Dorfs waren zu jener Zeit zweisprachig, und manche der Befragten beherrschen noch heute eine Sprache, die nicht ihre Muttersprache war. Den Erinnerungen der Zeitzeugen zufolge waren die Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen im Dorf offenbar relativ unkompliziert: Es gab Mischehen, Nachbarschaftshilfe war selbstverständlich, und eine strenge Abgrenzung entlang nationaler Linien lässt sich nicht erkennen.

Kritische Bewertung der Literatur und der Quellen

Die Diskussion über dieses Thema begann bereits kurz nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik – und von Anfang an standen sich sehr unterschiedliche, teils völlig gegensätzliche Positionen gegenüber. Barta (1919) etwa argumentiert aus einer stark historisch geprägten Perspektive. Er sieht eine natürliche Vorherrschaft der Tschechen über die Deutschen und verweist dabei auf die jahrhundertelange Zugehörigkeit der betroffenen Gebiete zur böhmischen Krone. Gleichzeitig behauptet er, das Sudetenland sei nie von Slawen bewohnt gewesen. Als Beleg für die fehlenden „geschlossenen Sprachgrenzen“ führt er die Volkszählung von 1910 im Kreis Sternberg an, wo 91,7 % der Bevölkerung Deutsch und nur 8,3 % Tschechisch angaben. Für Barta ergibt sich daraus ein klarer politischer Anspruch: Menschen, die ein Gebiet seit über 700 Jahren bewohnen, hätten das Recht, eine eigene politische Einheit zu bilden – denn, so schreibt er, „das deutsche Sudetenland will sein Schicksal selbst in die Hand nehmen“.

Chmelař (1936) betont hingegen eine andere Linie: Trotz der großen Zahl deutscher Einwohner in der Tschechoslowakei – absolut 3.231.688 Menschen im Jahr 1930, relativ 22,5 % – habe es zwischen Tschechen und Deutschen nie eine klare Scheidelinie gegeben, weder ethnisch noch sprachlich. Er unterstreicht außerdem, dass das deutsche Siedlungsgebiet entlang der historischen Grenze Böhmens zu Deutschland nie Teil des Deutschen Reiches war. Vielmehr habe es im Rahmen Österreich-Ungarns ein eigenständiges kulturelles Element gebildet – sichtbar in Literatur und Kunst, die über Jahrhunderte auch vom Zusammenleben mit den Tschechen geprägt wurden. Was die Rechte aller Nationalitäten betrifft, so verweist Chmelař darauf, dass diese durch die Verfassung garantiert seien – und dass dies nicht nur theoretisch gelte, zeigen die Wahlen von 1920: 72 der 281 Abgeordneten und 37 der 142 Senatoren waren Deutsche.

Schon dieser kleine Ausschnitt zeigt, wie weit die Auffassungen über die Verwaltung des Sudetenlandes auseinanderlagen. Von einer einheitlichen oder gar kompatiblen Sichtweise kann kaum die Rede sein.

Angewandte Methoden und Techniken

Für die Erstellung dieser Arbeit war es zunächst notwendig, einschlägige Literatur zu sichten, auszuwählen und auszuwerten – sowohl von tschechischen als auch von deutschen Autoren, die sich mit der Sudetenfrage befassen. Hinzu kamen Archivquellen wie Registereinträge und Gemeindearchive. Um ein möglichst lebendiges Bild der Situation in der Tschechoslowakei während des untersuchten Zeitraums zu zeichnen, wurden zudem zeitgenössische Tageszeitungen und Zeitschriften herangezogen (u. a. Rudé právo, Lidová demokracie, Venkov, Národní politika, Prager Tagblatt). Zitiert werden auch die in Deutschland erscheinenden Tschechisch-Bayerischen Aussichten, die ebenfalls in der Tschechoslowakei verbreitet wurden und Positionen der vertriebenen Deutschen dokumentieren.

Im Mittelpunkt der Untersuchung steht jedoch die biografische Methode: Sie stützt sich auf Erinnerungen von Zeitzeugen, die überwiegend in schriftlicher Form – vor allem in Briefen – übermittelt wurden. Für die Anwendung der Korrespondenztechnik sowie des ungesteuerten Interviews genügte eine grobe thematische Rahmung, in der lediglich Thema (Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen), Raum (der untersuchte Bezirk) und Zeitraum (vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg) festgelegt wurden. Das ungesteuerte Interview wurde bewusst gewählt, da es sinnvoll ist, den Befragten bei der Rekonstruktion ihrer Erinnerungen möglichst viel Freiheit zu lassen. Auf diese Weise lassen sich gerade jene Aspekte erfassen, die die Zeitzeugen selbst als bedeutsam erachten – und die daher für das Verständnis der Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen besonders wertvoll sind.

Die Entscheidung für die Korrespondenztechnik hatte zudem einen praktischen Grund: Viele der nach dem Krieg vertriebenen deutschen Bewohner leben heute in verschiedenen Teilen Deutschlands oder in den USA, sodass ein persönlicher Kontakt oft schwer herzustellen ist.

Geschichte der Besiedlung der böhmischen Länder durch Kolonisatoren, Zusammenleben zwischen Tschechen und Deutschen im 17. und 18. Jahrhundert

Die Geschichte der Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen reicht deutlich weiter zurück als die eigentliche Kolonisation. Bereits in der Frühzeit des böhmischen Staates bestanden enge kirchliche Verbindungen: Böhmen unterstand lange dem deutschen Bistum, und selbst nachdem das Prager Bistum gegründet worden war, wurde dessen erster Bischof, Dětmar, aus Sachsen berufen.

Die sogenannte deutsche Kolonisation setzte im 13. Jahrhundert ein. Zeitgenössische Chronisten warfen den Herrschern Wenzel I. (1230–1253) und Přemysl Otakar II. (1253–1278) vor, das Land mit Hilfe deutscher Siedler neu zu ordnen, Dörfer neu aufzuteilen und ihnen ganze Regionen wie das Loketsko, das Trutnovsko oder das Glatzer Land zur Besiedlung zu überlassen. Besonders scharfe Kritik an dieser Entwicklung findet sich in der Dalimil-Chronik.

Die moderne Forschung zeigt jedoch ein differenzierteres Bild: Die Kolonisation war ethnisch gemischt, und die Tschechen spielten dabei keineswegs eine Nebenrolle. Die Mehrzahl der Kolonisten stammte aus unmittelbaren Nachbargebieten – aus Österreich, Sachsen und Bayern – und ließ sich vorwiegend in einem schmalen Grenzstreifen nieder (Kubačák, 1994). Die Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen verliefen, bei aller gelegentlichen Spannungen, im Allgemeinen relativ reibungslos. Ein Grund dafür dürfte gewesen sein, dass die Deutschen in Böhmen von ihren tschechischen Nachbarn nicht als fremdes Element wahrgenommen wurden. Ihre Lebensweise unterschied sich kaum von der der Tschechen – der Hauptunterschied lag in der Sprache.

Diese Nähe stand im starken Kontrast zur Wahrnehmung der jüdischen Bevölkerung, deren Religion und Lebensstil von der Mehrheitsgesellschaft als deutlich fremder empfunden wurden. Spannungen waren entsprechend häufiger und spiegeln sich auch in zeitgenössischen Quellen wider, etwa in alten Kalendern (Kalendář hospodářský…, 1622), die mehrfach von gewaltsamen Konflikten berichten: 18. April 1379 – Juden in Prag getötet; 19. November 1541 – Juden in Litoměřice getötet; 4. Januar 1504 – zwei Juden wegen Mordes an einem christlichen Kind verbrannt; 6. März 1078 – erneute Angriffe auf Juden; 20. Juni 1514 – ein Prager Jude wegen eines angeblichen Ritualmordes hingerichtet.

Die Deutschen hingegen wurden nicht als „Andere“ wahrgenommen. In vielen Regionen beherrschten die Bewohner beider Volksgruppen beide Sprachen, und die eigene nationale Zugehörigkeit spielte nur eine geringe Rolle – auch deshalb, weil der moderne Begriff der Nation in seiner heutigen Bedeutung erst viel später entstand.

Über die Gründe für die spätere Verschlechterung der Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen reflektiert ein Kommentar der Aussichten (1992, Nr. 9): „Wie in anderen Königsstädten des böhmischen Reiches siedelte sich auch hier die deutsche Bevölkerung an und lebte über Jahrhunderte hinweg in Harmonie mit der weniger zahlreichen tschechischen Bevölkerung. Was beide Völker verband, war der gemeinsame Glaube an den einen Erlöser und die Verehrung der böhmischen Landesheiligen. Erst als diese Einheit zerbrach und totalitäre Ideologien einzogen, kam es zu Ungerechtigkeiten.“

Unabhängig von der organisierten Kolonisation – und auch lange nach deren Ende – zogen weiterhin Menschen aus den deutschen Ländern nach Böhmen, vor allem in die Grenzregionen. Gründe dafür waren vor allem die Suche nach Arbeit, aber auch Eheschließungen und familiäre Verbindungen spielten eine Rolle.

Situation im Dorf

Nach den Angaben des Kirchenregisters (Register der Pfarrgemeinde Kdyně, 1717–1744) wurden in diesem Zeitraum acht Eheschließungen verzeichnet, bei denen einer der Ehepartner aus Bayern stammte. Bemerkenswert ist, dass im selben Zeitraum keine einzige Hochzeit mit Partnern aus den nur 10–20 km entfernten Städten Domažlice oder Klatovy eingetragen wurde.

Aus den Registerdaten lässt sich nicht ableiten, ob die Bewohner des Dorfes überwiegend Tschechen oder Deutsche waren. Für die Jahre 1744–1767 erscheinen jedoch insgesamt 45 Familiennamen in den Einträgen, von denen vier später auch auf der Liste der nach 1946 zur Deportation vorgesehenen deutschen Familien auftauchen – Terč, Blahut, Pekhart und Kohlbeck.

Wenn sich die Familiensprache in diesen Linien über zweihundert Jahre hinweg nicht grundlegend verändert hat, deutet dies darauf hin, dass es im Dorf kaum feste Grenzen zwischen tschechischen und deutschen Familien gab. Mitglieder deutscher Familien traten als Paten oder Zeugen in tschechischen Familien auf – und umgekehrt. Der Alltag war offenbar stärker von gegenseitiger Verbundenheit geprägt als von nationalen Trennlinien.

Veränderungen in den Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen im 19. Jahrhundert – die tschechische Wiedergeburt und ihre Erscheinungsformen

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts begann sich die Lage allmählich zu verändern. Während zuvor viele Menschen die Unterschiede zwischen Tschechen und Deutschen kaum wahrgenommen hatten, rückten sie nun – besonders unter dem Einfluss der tschechischen nationalen Wiedergeburt – immer stärker ins Bewusstsein. Sprachwissenschaftler und kulturelle Erneuerer warnten davor, dass das Tschechische, vor allem in den Städten, als Verkehrssprache zunehmend zurückgedrängt werde, und riefen zur aktiven Pflege der Muttersprache auf. Damit verband sich unter vielen Tschechen das Gefühl, etwas Wertvolles zu verlieren – ein Gefühl, das den Wunsch nach einer Neubewertung der eigenen Position und nach kultureller Selbstbehauptung stärkte.

Zu Beginn des Jahrhunderts wurden Überlegungen laut, eine Form des böhmischen Patriotismus (Bohemismus) zu schaffen. Der Philosoph Bernard Bolzano plädierte dafür, eine gemeinsame politische Nation zu entwickeln, die sowohl Tschechen als auch Deutsche einschließen sollte. Die Zugehörigkeit zum Land Böhmen sollte demnach wichtiger sein als ethnische oder sprachliche Unterschiede. Ein solches, staatsbezogenes Verständnis von Nationalität kannte die böhmische Gesellschaft im Übrigen schon früher, als alle Untertanen des böhmischen Königs – ungeachtet ihrer Sprache – als „Tschechen“ galten.

Ein staatsbürgerliches Konzept von Nationalität besteht in Ländern wie Frankreich bis heute: Jeder Bürger der Republik ist Franzose, und regionale Gruppen – etwa die Provenzalen – gelten nicht als eigene Nationalität.

Die frühen Erneuerer der tschechischen Sprache standen jedoch vor einem schweren Start: Im Vergleich zur deutschen Volksgruppe empfanden viele von ihnen eine deutliche Unterlegenheit. Dies führte zur Idee der slawischen Gegenseitigkeit, die betonte, dass die Tschechen nicht isoliert seien, sondern zur großen slawischen Völkerfamilie gehörten. Die Vorstellung einer umfassenden slawischen Nation setzte sich allerdings nicht durch – K. H. Borovský lehnte sie entschieden ab und vertrat eine klar tschechische Position. Die slawische Reziprozität war zudem eng mit einem starken Historismus verbunden: Die Betonung glanzvoller Epochen der Vergangenheit – insbesondere der Regierungszeit Karls IV. oder der Hussitenbewegung – sollte der schwierigen Gegenwart Sinn und Perspektive geben.

Gerade die Hussitenzeit wurde jedoch zunehmend als triumphaler Konflikt „mit den Deutschen“ gedeutet, während der historische Kern – ein innerböhmischer Bürgerkrieg – weitgehend aus dem Blick geriet. Diese vereinfachende Interpretation wirkt in Teilen bis heute nach.

In den 1880er Jahren gründete auch die deutsche Seite den „Schulverein“ zur Einrichtung deutscher Privatschulen; wenig später entstand als tschechisches Pendant die „Ústřední matice školská“. Zu dieser Zeit begann der Wettbewerb um die Frage, ob eine Schule, ein Amt oder eine bestimmte Position „tschechisch“ oder „deutsch“ sein sollte – und die Nationalität gewann in vielen Lebensbereichen an Gewicht. (Dějiny zemí Koruny české / Geschichte der böhmischen Kronländer, 1992)

Situation im Dorf

Das Dorf war überwiegend von Böhmen bewohnt, viele davon arbeiteten in der Textilfabrik in Kdyně. Die Kdyně-Spinnerei war damals ein deutsches Unternehmen, das deutschsprachige Arbeitskräfte bevorzugte. Der Begriff „Nationalität“ taucht in den Quellen nur selten auf; stattdessen wird von „benutzter Sprache“ (obcovací řeč) gesprochen.

Die Leitung der Spinnerei drängte die tschechischen Arbeiter oft – nicht selten unter Androhung einer Kündigung – dazu, ihre Kinder auf die deutsche Schule zu schicken und sich selbst als deutschsprachig zu registrieren. Viele folgten dem, sei es aus pragmatischen Gründen, für bessere Arbeitsbedingungen oder wegen kleiner Vergünstigungen wie Weihnachtsgeschenken. (Procházka, 1996) So begann ein häufig tragikomischer Wechsel der Nationalität, der – je nach politischer Lage – bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg anhielt.

Nicht selten gaben sich Menschen, die kaum Deutsch sprachen, offiziell als deutschsprachig aus, später sogar während der Protektoratszeit. 1873 erwarb der Deutsche Schulverein ein Gebäude für die Errichtung einer deutschen Schule, die bald ihren Betrieb aufnahm. Obwohl die Tschechen im Dorf in der Mehrheit waren, wurde ihr Antrag auf eine tschechische Schule zunächst abgelehnt. Laut der Dorfchronik lebten 1881 noch 309 tschechisch und 195 deutschsprachige Einwohner in Prapořiště; im Jahr 1890 wurden dagegen bereits 250 Tschechen und 302 Deutsche nach ihrer Sprachzugehörigkeit gezählt.

Ab 1890 war es möglich, eine Klasse der tschechischen Schule in einem Privathaus einzurichten; 1893 folgte eine zweite. Eine großzügige Spende des Prager Mäzens Bedřich Schnell ermöglichte schließlich den Bau einer zweiklassigen tschechischen Schule, die 1898 den Unterricht aufnahm. Dies führte erneut zu Gegenmaßnahmen von deutscher Seite: Es wurde durchgesetzt, dass Kinder aus Starec nicht aufgenommen wurden, sodass der Unterricht auf eine Klasse beschränkt blieb. Zudem entstand eine neue deutsche Zweiklassenschule, gestiftet von der Stadt Wrocław (Breslau) in Preußisch-Schlesien, die traditionell die Patenschaft über das „deutsche“ Dorf führte. Diese deutsche Schule bestand bis 1918, danach wurde sie in eine tschechische Schule umgewandelt. Die deutschen Kinder aus Prapořiště mussten fortan die Grundschule in Brůdek besuchen.

Barbara Kamenicky erinnert sich:
Ab meinem sechsten Lebensjahr besuchte ich – wie alle anderen deutschen Kinder – die Grundschule in Fürthel (Brůdek). Die Volksschule in Braunbusch (Prapořiště) war bis 1918 eine deutsche Schule; danach wurde sie in eine tschechische Schule umgewandelt.

Die Eskalation der Situation nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik, die Situation während der Ersten Republik

Mit der Ausrufung der Tschechoslowakischen Republik wurde die Situation zwischen Tschechen und Deutschen noch angespannter, und die Ängste der Deutschen vor der veränderten Situation wuchsen immer mehr. Anders als in der Zeit der tschechischen Bauherren waren es nun die Deutschen, die zu spüren begannen, dass sie etwas zu verlieren hatten. Die Tschechen bemühten sich zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht allzu sehr, ihre Befürchtungen zu zerstreuen. „Den Deutschen in Prag ist ein wenig übel“ (Venkov, 3. November 1918) „…Vor allem die deutsche Jugend tut sich schwer mit dem gerechten Sieg der tschechischen Sache und versucht, auf jede Weise zu provozieren. Das gelingt ihr jedoch nicht, dank der Diskretion und des Selbstbewusstseins des tschechischen Volkes.“

Die deutsche Abneigung gegen die Errichtung einer unabhängigen Tschechoslowakei manifestierte sich in der Bildung von Nationalkomitees, der Festlegung eigener Grenzen an der Sprachgrenze und verschiedenen Sabotageakten, bis am 29. Oktober 1918 in den deutschsprachigen Teilen der neu gegründeten Republik eine unabhängige Provinz ausgerufen wurde. Dies ist in der zeitgenössischen Presse dokumentiert (Prager Tagblatt, zitiert in: Venkov, 3. November 1918): …Der deutsche Teil Böhmens konstituiert sich am 29. Oktober als eigene Provinz und weigert sich, Teil des tschechoslowakischen Staates zu werden. Aber es gibt keine deutsche Regierung in Böhmen, sondern eine ganze Reihe von nationalen Gremien, die in Eigenregie Politik machen, Grenzen gegen die Tschechen ziehen und den Verkehr und Kontakt an der Sprachgrenze unterbinden.

Nach der Gründung der Republik erstarkte auch der tschechische Nationalismus, und nun wurde mehr denn je alles, was in irgendeiner Weise mit den Deutschen zu tun hatte, mit einem Fluch belegt. Venkov (29. Oktober 1918) berichtet: „Nationale Veruntreuung“.
„…Wir haben hier aber noch eine andere traurige Erscheinung, dass wir in den deutschen Schulen und Mädchenanstalten eine große Anzahl von Kindern tschechischer Eltern…. finden, die ihre Kinder schamlos deutschen Anstalten anvertrauen und damit Verrat an ihrer Nation…“

Situation im Dorf

Anfang der 1920er Jahre normalisierte sich die Situation wieder, und die Menschen nahmen die Unterschiede zwischen den beiden Völkern nicht mehr so sehr wahr, solange sie im selben Dorf zusammenlebten, wie Barbara Kamenicky beschreibt:
Im Jahr 1917 zogen wir nach Praporiste. Die Einwohner dieses Dorfes waren zur Hälfte Deutsche, aber weder die Erwachsenen noch ihre Kinder machten einen Unterschied zwischen tschechisch und deutsch. Je nach Bedarf wurden beide Sprachen gesprochen. Die Kinder brachten sich auch gegenseitig in Spielen beide Sprachen bei. Ich erinnere mich noch an zwei Sätze: Komm honem prič, sonst mußt Du zaplatit tu Kerze. Nebo: Dej sem ten Leintuch. (Komm schnell weg, sonst mußt Du die Kerze bezahlen. Oder: Gib mir das Leintuch.)
In unserem Dorf Braunbusch (Prapořiště) gab es ein so harmonisches Zusammenleben (Tschechen und Deutsche), dass es in der Umgebung keinen ähnlichen Fall gab. Wir haben uns gegenseitig besucht, junge Leute waren miteinander befreundet, es wurden Ehen zwischen Deutschen und Tschechen geschlossen.

Die dreißiger Jahre und der Zweite Weltkrieg

In der Grenzregion wurden Beamte mit tschechischer Staatsangehörigkeit zunehmend gegenüber Deutschen bevorzugt. Auch viele Deutsche waren arbeitslos, und ihre Lebensbedingungen begannen sich zu verschlechtern. Es versteht sich von selbst, dass sie nach dem Schuldigen suchen, und das müssen ihre tschechischen Nachbarn sein.

Diese Suche nach dem Schuldigen wird von Šalanda (1997) beschrieben: Egozentrismus oder auch Ethnozentrismus fließt in die Stereotypen der Verfolgung ein. Die sozialpsychologische Dichotomie von „wir“ - „sie“, „eigen“ - „fremd“ wird hier angewandt. „Unsere“ Welt ist organisiert, geordnet, die „fremde“ Welt diese Anordnung und verstoßen gegen sie. Den „Ausländern“ werden negative Eigenschaften zugeschrieben, die auf kulturelle Unterschiede zurückzuführen sind… Im Rahmen ethnischer Stereotypen wirken auch Stereotypen der Verfolgung und des Sündenbocks, die unter anderem zu den Momenten gehören, in denen die Verantwortung für Misserfolge auf jemand anderen übertragen wird. … Wenn etwas schief läuft, bei wirtschaftlichen und sozialen Traumata, werden manchmal irrationale Ursachen und Lösungen gesucht. Es wird nach Verschwörungen und Feinden gesucht, die das Böse verursachen und die Schuld daran tragen.

Dann kommt Henlein, dessen Partei eng mit Hitler verbunden ist, und bietet eine Lösung an, die die meisten Sudetendeutschen nur allzu gerne akzeptieren. Für Henleins Partei sind die größten Feinde nicht nur die Tschechen, sondern natürlich auch diejenigen, die Henlein nicht vorbehaltlos unterstützen. Am 1. Mai 1938 stellt Henlein acht Forderungen für die Selbstverwaltung der Sudetendeutschen auf, die er eine Woche später in Liberec als das absolute Minimum bezeichnet. Dabei ging es vor allem um eine Änderung des Status der Sudetendeutschen, die nicht als Minderheit, sondern als vollständig selbstverwaltete Einheit innerhalb bestimmter Grenzen behandelt werden sollten. Als diese Forderungen bekannt wurden, fand in Karlsbad eine Demonstration sudetendeutscher Sozialisten statt, die mit Henlein nicht einverstanden waren. …etwa 2.000 Menschen demonstrierten, um zu zeigen, dass es unter den anderen Sudetendeutschen eine Minderheit gibt, die hundertmal schlechter behandelt wird als andere Sudetendeutsche - eine Gruppe sudetendeutscher Sozialisten aus Podmokel wurde entlassen, weil sie sich weigerte, an der örtlichen Henlein-Parade teilzunehmen. (Morell, 1995)

Vielerorts konnten es die Menschen nicht erwarten, dass das Sudetenland unter deutsche Verwaltung kam, wie Morell (1995) erneut feststellt: „Ich betrat eine Kneipe… Der Gastwirt begann mit mir zu sprechen. Mr. Chamberlain war direkt beeindruckt. „Wir haben seit Jahren auf diesen Tag gewartet.“ Die anderen Gäste nickten energisch zustimmend. „Was werden Sie tun, wenn Hitler dieses Gebiet bekommt?“ fragte ich den Gastwirt. Er begann unverblümt darüber zu sprechen, was er mit seiner Kneipe machen würde, und fügte schließlich hinzu: „Wenn wir unsere Rechte bekommen, werde ich hier drei Bilder an die Wand hängen. Ich werde ein Bild von Henlein haben, ein Bild von Hitler in der Mitte, und dann werde ich ein Bild von Chamberlain aufhängen.“

Menschen aus gemischten Ehen waren zu dieser Zeit zwischen zwei Zwängen gefangen. Diese Menschen befanden sich in einer sehr schwierigen Situation, da sie weder von der tschechischen noch von der deutschen Gruppe akzeptiert wurden.

Hildegarda Schwarz: (Výhledy, 1992, Nr. 12) Als der Krieg begann, wurde mein Vater gezwungen, sich als Deutscher zu registrieren. Er weigerte sich lange Zeit, und schließlich sperrten sie ihn zehn Tage lang in den Keller eines Hauses in Záhořánky, und wir Kinder gaben ihm durch das Fenster zu essen. … Die ganze Zeit über durften wir nicht zur Schule gehen, weil sie nur deutsch waren. … Wissen Sie, das Schlimmste war, dass wir als Kinder nie wussten, wo wir hingehörten. Wir wurden von meiner Mutter erzogen, mein Vater war immer geschäftlich unterwegs, und so konnten wir kein Wort Tschechisch. Aber die Deutschen wollten uns nicht in ihrer Mitte haben. In der Schule in Přídolí haben sie uns verspottet. Nach dem Krieg schauten die Tschechen wieder auf uns herab, auch wenn sie Papa die Staatsbürgerschaft zurückgaben.

Situation im Dorf

Zu Beginn der 1930er Jahre hatten deutsche Kinder keine Probleme, die Schule zu besuchen, aber die Situation begann sich allmählich zu verschlechtern, wie die Befragten bestätigen - Marie Siedek: Nur deutsche Kinder besuchten unseren Kindergarten (in Všeruby), der 1929/30 eröffnet wurde. Ich wurde im September 1931 eingeschult, und im ersten Jahr besuchten nur deutsche Kinder die Schule. Dies war noch zu Zeiten von Präsident Dr. Thomas G. Masaryk. Unter seinem Nachfolger Dr. E. Beneš gab es viele Veränderungen. Alle Mitarbeiter der Genossenschaft stammten aus tschechischen Familien, und für ihre Kinder sowie für die Kinder der Staatsbediensteten - tschechische Finanzpolizisten usw. - wurde eine tschechische Schule eingerichtet.
Diejenigen, die noch als Beamte dort blieben, wurden gezwungen, ihre Kinder in die tschechische Schule zu schicken. Auch in unserer dreiklassigen deutschen Schule wurde Tschechisch unterrichtet, um die Amtssprache zu lernen. Viele Deutsche waren zu dieser Zeit arbeitslos, und Besuche bei Freunden in Deutschland waren nur noch schwer möglich.

Die Meinungen über den Anschluss des Sudetenlandes an das Deutsche Reich waren bei weitem nicht unter allen Deutschen einheitlich und reichten von völliger Zustimmung bis zu völliger Ablehnung.

Marie Siedek erklärt ihren Wunsch, Teil Deutschlands zu werden: „Wir wollten dem Reich vor allem deshalb beitreten, um unser Deutschtum zu bewahren.

In dieser Aussage finden wir wieder ein Gefühl der Bedrohung oder das Gefühl, dass etwas verloren geht. Durch die Benennung des Problems, nämlich der allmählichen Verdrängung aus ihren früheren Positionen und der Angst vor dem wachsenden Einfluss der Tschechen, konnten die Menschen dieses Problem bekämpfen.

Eine neutrale Sichtweise auf den Anschluss des Sudetenlandes an Deutschland und die Schaffung des Protektorats Böhmen und Mähren wird von Ann Collinsworth vertreten, die jedoch die späteren deutlich negativen Auswirkungen einräumt:
„In den ersten Wochen änderte sich nicht viel, aber dann wurden die Dinge politisch viel deutlicher. Plötzlich lebten wir im Protektorat Böhmen, wir bekamen eine neue Verwaltung, es gab neue Gesetze. Auch Lebensmittelmarken wurden ausgegeben, weil das Geld seinen Wert verlor. Mit Geld konnte man sich nichts kaufen. Alle vier Wochen bekamen wir neue Tickets, aber das reichte kaum für zwei Wochen.“

Barbara Kamenicky spricht von einem Überfall im Zusammenhang mit der Angliederung des Sudetenlandes an Deutschland. Sie ist auch von den falschen Versprechungen der Autonomie desillusioniert:
Im Oktober 1938 wurde das Sudetenland von deutschen Truppen überrannt. Viele Menschen feierten dieses Ereignis mit Begeisterung. Über Nacht wurde das Sudetenland Teil Deutschlands. Die einheimischen Deutschen wurden automatisch Reichsdeutsche. Die Autonomie, die uns versprochen worden war, war vorbei.

Männer wurden in die Armee für die Artillerie eingezogen, Frauen für verschiedene niedere Arbeiten. Viele anders denkende Deutsche wurden sichergestellt und viele verloren ihr Leben. Einheimische Tschechen, die entkommen konnten, zogen ins Landesinnere. Auch für die Sudetendeutschen selbst war die Reisefreiheit innerhalb des Protektorats nach der Annexion des Sudetenlandes eingeschränkt, und man brauchte einen speziellen Ausweis (Kennkarte), um Städte zu besuchen, die zuvor frei zugänglich waren, wie Marie Siedek berichtet.

Der Beginn des Krieges

Der Beginn des Zweiten Weltkriegs selbst löste bei den Einwohnern keine großen Ängste aus, aber auch eine geschickte Propaganda spielte eine große Rolle, wie Ann Collinsworth feststellt:
Anfang September 1939 bewegten sich die deutschen Truppen nur sehr langsam durch Braunbusch. Viele Kinder standen auf dem Bürgersteig und riefen ihnen zu. Sie hielten an und gaben den Kindern Päckchen mit Keksen und anderen Süßigkeiten. Jedes Kind bekam etwas, und dann zogen die Soldaten ab. Sie können sich vorstellen, welchen Eindruck das auf die Bewohner des Dorfes gemacht hat. Sie dachten, dass die Zukunft sicher nicht so schlecht, sondern eher rosig sein würde. Auch in den ersten Wochen hat sich nicht viel geändert.
Doch nicht nur die deutschen Soldaten, sondern auch die deutschen Einwohner des Dorfes zeigten große Herzlichkeit, wie Marie Anders berichtet:
Als die deutschen Truppen am 15. März 1939 eintrafen, wurden sie von den Deutschen mit Schnaps und Rum empfangen.

Natürlich hat sich mit der Veränderung der Umstände, genau wie 1918, als die deutsche Schule plötzlich tschechisch wurde, auch jetzt eine Veränderung ergeben, mit dem Unterschied, dass die tschechische Schule jetzt plötzlich deutsch geworden ist. Die meisten der ehemals tschechischen Kinder wurden plötzlich deutsch und setzten ihre Ausbildung in der deutschen Schule fort, wie Marie Anders weiter beschreibt: Gleich am nächsten Tag (nach der Ankunft der deutschen Armee) besetzten sie die tschechische Schule, und die tschechischen Kinder mussten hinausgehen. Sie hatten keinen Platz zum Lernen, also mussten sie einen Hocker und einen Tisch mitbringen, es gab einen Raum in der alten Schule und sie lernten in diesem Raum, weil 2/3 der Kinder auf die deutsche Schule gingen. Der Schuldirektor wollte nicht, dass sie mit den tschechischen Kindern zusammenkommen. Nach diesen und ähnlichen Ereignissen muss sich das Zusammenleben zwischen den beiden Nationalitäten grundlegend verändert haben, wie Marie Siedek feststellt:
Die zuvor geringen Spannungen (zwischen Tschechen und Deutschen) haben sich nach der Machtübernahme Hitlers im Deutschen Reich deutlich verstärkt.

Der Verlauf des Krieges

Während des Krieges wurde die Denkweise von Menschen, die in früheren Zeiten oft ganz andere Ansichten vertreten hatten, vollends deutlich. Einerseits beanspruchten viele Tschechen die deutsche Staatsangehörigkeit, so wie sie sich im 19. Jahrhundert wegen besserer Arbeitsplätze für die deutsche Sprache entschieden hatten. Wie damals beanspruchten auch Menschen, die überhaupt kein Deutsch sprachen, die deutsche Staatsangehörigkeit. Diese Menschen wurden damals von den Tschechen mit großer Verachtung betrachtet, und um wenigstens eine gewisse Position bei den Deutschen zu erlangen, demonstrierten diese Menschen ihre Loyalität gegenüber der deutschen Führung viel aktiver als andere, ganz nach dem alten tschechischen Sprichwort - wer ein Türke geworden ist, ist schlimmer als ein Türke.

Dies ist in den Memoiren von Marie Anders dokumentiert:
Es gab auch einen Jungen, der von der Armee übergelaufen war und im Sommer im Wald schlief, aber als der Winter kam, zog er in einen Schuppen, aber eine tschechische Frau, die sich den Deutschen angeschlossen hatte und kein Wort Deutsch konnte, zeigte ihn an, weil er im Schuppen malte, sie hörte Papiere rascheln, also zeigte sie ihn an. Die Gestapo kam mit drei Autos und sie führten ihn in Strumpfhosen und mit den Händen hinter dem Kopf ab. Er war ein sehr guter Junge. Doch die Denunziationen haben sich lawinenartig über alle Nationalitäten hinweg verbreitet, wie Karel Kokaisl berichtet:
Wir hatten eine Farm von etwa 20 Hektar und brauchten Hilfe für die Saisonarbeit. Wir brauchten Hilfe für unsere Arbeit, und sie verlangten Nahrung. Die Bauern hatten jedoch die gleiche Ration wie die Landlosen, und deshalb musste man, um diesen Menschen zu helfen, ohne Erlaubnis säen. … Ich bin auch das Risiko eingegangen, schwarz zu mahlen. Beim Dreschen des Getreides befestigte ich einen „Leiterwagen“ an der Dreschmaschine, in dessen Boden und um den Umfang herum wir gedroschenes Stroh und 10 l Getreide zum Dreschen legten, um uns und den Saisonarbeitern die Möglichkeit zu geben, die Lebensmittelversorgung zu verbessern. Wir luden fröhlich alles ein und gingen zur Mühle, in der der Bruder meiner Mutter arbeitete. … Vor Kdyně wurde ich von Gendarm Baloun angehalten, der mir direkt mitteilte, dass er eine Denunziation erhalten habe. … Wir haben überlegt, wie wir uns verhalten sollen. Ich schlug vor, dass ich das Stroh von Weber aus Brnířov vor der Ernte geliehen hatte, dass ich es ihm zurückgeben und das Getreide auf dem Lieferwagen mitnehmen würde. Der Gendarm stimmte zu. … Es war ein Glück, dass ein Deutscher, Hoffelner, bei uns wohnte, den ich auch informieren musste. Er sagte, dieser Fall sei sehr streng beurteilt worden und endete mit einer Verurteilung zur „Todesstrafe“ wegen Verstoßes gegen die Liefervorschriften. Hoffelner hatte eine entscheidende Meinung in der Region und so wurde ich nur mit 10.000 Kronen bestraft.
\\Ein anderes Mal geschah es, dass am Tag vor der angekündigten Inspektion ein Ratsmitglied vom Gemeindeamt zu uns kam, um uns mitzuteilen, dass die Inspektion morgen stattfinden würde, damit wir das notwendige Getreide für den Lebensunterhalt und das Futter (Getreide) für das Vieh einlagern konnten.

Mit dem Fortschreiten des Krieges vervielfachte sich die Zahl der Einberufungen, während das Alter der Wehrpflichtigen immer weiter sank. Dadurch verschlechterte sich die Situation der Familien, die ihre Ernährer verloren hatten, und die Existenzsorgen wurden auf die Frauen übertragen. In einigen Fällen meldeten sich die Männer jedoch freiwillig zur Wehrpflicht. Ann Collinsworth beschreibt dies:
Junge Männer, die das 18. Lebensjahr erreicht hatten, mussten plötzlich zum Militärdienst. Einige gingen freiwillig, andere mussten dazu gezwungen werden. Meine beiden Onkel, von denen jeder drei Kinder hatte, mussten in den Krieg ziehen. Der eine war 30, der andere 35, und beide wurden in Russland getötet. Die beiden Schwestern meiner Mutter waren Witwen. Das war eine traurige Zeit für uns, aber danach war alles noch schlimmer. Jungen mussten mit 17, 16, 15 Jahren in den Krieg ziehen, es ist eine Schande, Kinder in den Krieg zu schicken.

Die Wirkung der Propaganda auf die Bürger nahm zu, und die Menschen wussten nicht, was sie glauben sollten. Es gab viele ungesicherte Berichte, deren Wahrheitsgehalt nicht überprüft werden konnte. Dann geschah es sehr schnell, dass die Dorfbewohner die Nachrichten über die Ermordung der Juden in den Konzentrationslagern nicht glauben konnten. Ann Collinsworth beschreibt dies erneut:
„Überall um uns herum war Propaganda, und niemand wusste, was er glauben sollte. Dann hörten wir noch mehr von unmenschlichen Taten gegen die Juden, aber auch das wollte und konnte niemand glauben. Auch in unserem Dorf kam jeder, der gegen Hitler war, ins Gefängnis. Das war bei zwei Tschechen der Fall - ein Lehrer, Karl Karas, und an den Namen des anderen kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich weiß, wo seine Eltern wohnten.

Ereignisse nach dem Zweiten Weltkrieg, Vertreibung

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war nicht sofort klar, wie die neue Regierung Bürger mit deutscher Staatsangehörigkeit behandeln würde. Präsident Beneš äußerte sich sehr zurückhaltend:
„Das wird unser Motto sein: Die Republik überall und in allem zu entgermanisieren. (Lidová demokracie, 17. Juni 1945).

Der tschechoslowakische Minister Dr. Hubert Ripka sprach am Samstagabend im tschechoslowakischen Rundfunk aus London über den Volksaufstand in Prag. Er wandte sich im Namen des Präsidenten der Republik und im Namen der Regierung an die Prager Bevölkerung. … Viertens: Schlagen Sie die Deutschen überall, energisch, aber behutsam.

Die neue Regierung hatte in ihrem Programm die Bestrafung der Schuldigen vorgesehen, aber sie zog die Ausweisung aus dem Land nur für diejenigen in Betracht, die wegen Verbrechen gegen die Republik und gegen die tschechische und slowakische Nation verurteilt worden waren.

Aus dem Programm der neuen Regierung (Rudé právo, 18. Mai 1945)
Die Lösung der Minderheitenfrage … Die Regierung wird sich daher an folgende Regeln halten: Für die Bürger der Tschechoslowakischen Republik mit deutscher und ungarischer Staatsangehörigkeit, die vor München 1938 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft besaßen, wird die Staatsbürgerschaft bestätigt und die eventuelle Rückkehr in die Republik für Antinazis und Antifaschisten bestätigt. … Anderen tschechoslowakischen Staatsbürgern deutscher und ungarischer Nationalität wird die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft aberkannt. … Den Deutschen und Ungarn, die wegen eines Verbrechens gegen die Republik und gegen die tschechische und slowakische Nation verurteilt werden, wird die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft aberkannt und sie werden für immer aus der Republik ausgewiesen, es sei denn, sie werden mit einem Halsband bestraft.

Die Realität war jedoch weitaus gravierender als das, wozu sich die Regierung in ihrer Programmerklärung verpflichtet hatte. Das Dekret von Präsident Beneš zur Beurteilung der staatlichen Unzuverlässigkeit geht noch weiter zurück als 1938, da es die Staatsangehörigkeit bei der Volkszählung von 1929 als entscheidende Zahl ansieht. Nach diesem Dekret wird jeder Bürger mit deutscher oder ungarischer Staatsangehörigkeit zu einer staatlich unzuverlässigen Person, unabhängig von seiner Einstellung während des Krieges.

Dekret des Präsidenten der Republik vom 19. Mai (Rudé Právo, 26. Mai 1945)
§ 4 Als staatenlos gelten:
a) Personen deutscher oder ungarischer Staatsangehörigkeit
b) Personen, die gegen die Souveränität des Staates gerichtete Handlungen vorgenommen haben …

§ 6 Als Personen mit deutscher oder ungarischer Staatsangehörigkeit gelten Personen, die sich bei einer Volkszählung seit 1929 zur deutschen oder ungarischen Staatsangehörigkeit bekannt haben oder die Mitglieder von nationalen Gruppen oder Formationen oder politischen Parteien geworden sind, denen Personen mit deutscher oder ungarischer Staatsangehörigkeit angehören.
§ 28 (1) Diese Verordnung tritt mit dem Tag ihrer Verkündung in Kraft. Es folgte ein Dekret über die Enteignung von Grund und Boden, das als konsequente Wiedergutmachung für das nach dem Weißen Berg und der Dezimierung des böhmischen Grenzgebiets erlittene Unrecht angesehen wurde.
(Rudé Právo, 19. Juni 1945).

Dieses Dekret war bereits am 21. Juni verkündet worden (Rudé Právo, 22. Juni 1945): das Dekret des Präsidenten der Republik vom 21. Juni 1945 über die Beschlagnahme und beschleunigte Verteilung des landwirtschaftlichen Vermögens von Deutschen, Ungarn und Verrätern… Getrieben vor allem von dem Wunsch, den tschechischen und slowakischen Boden ein für allemal aus den Händen ausländischer deutscher und ungarischer Grundbesitzer sowie aus den Händen von Verrätern an der Republik zu nehmen … verordne ich hiermit:
§ 1. 1. Mit sofortiger Wirkung und ohne Entschädigung wird zum Zwecke der Bodenreform der landwirtschaftliche Besitz konfisziert von:
a) Personen deutscher und ungarischer Nationalität, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit.
b) Verrätern
c) Aktiengesellschaften und anderen Unternehmen, deren Verwaltung den Faschisten diente.
Diesem Erlass zufolge wird das Eigentum von Personen, die aktiv am Widerstand teilgenommen haben, nicht beschlagnahmt.


Ein weiterer Erlass des Präsidenten ging sogar noch weiter und entzog allen Deutschen und Ungarn die Staatsbürgerschaft.

Dekret des Präsidenten der Republik (Rudé Právo, 5. August 1945)
Ungarn und Deutschen wird die Staatsbürgerschaft entzogen. … eine Ausnahme nur für diejenigen, die aktiv am Kampf für die Befreiung der Republik teilgenommen oder unter dem Naziterror gelitten haben.

Jeder musste sich an der Entdeutschung der Republik beteiligen. Aus diesem Grund wurden Deutsche massenhaft aus ihren Jobs entlassen.

Vítkovice entließ Deutsche und Verräter (Rudé Právo, 26. Mai 1945) … auch etwa 3.000 deutsche Arbeiter wurden sofort entlassen, so dass es in dem gesamten Unternehmen, das jetzt etwa 45.000 Arbeiter und Beamte beschäftigt, keinen einzigen Deutschen mehr gibt.

Auch die tschechische Bevölkerung wurde gegenüber den Deutschen sehr radikal.

B. Kamenicky beschreibt die Situation in Děčín:
Wir Deutschen, die wir seit Jahrhunderten in diesem Land lebten, mussten nach einer offiziellen Vorschrift einen weißen Gürtel mit dem Buchstaben N (Němec / Deutsch) am linken Arm tragen.
Wir hatten von Samstagnachmittag bis Montagmorgen Ausgangssperre. Außerdem war es uns verboten, Verkehrsmittel wie Bahn, Bus oder Taxi zu benutzen.

Abgesehen von diesen Vorschriften, die denen gegen die Juden während des Krieges nur allzu sehr ähnelten, wurde den Deutschen nicht nur von der tschechischen Bevölkerung, sondern auch von den Befreiungsarmeen Gewalt angetan.
Nochmals Barbara Kamenickys Situationsbeschreibung: Ich wurde selbst von einem russischen Soldaten vergewaltigt, wie viele andere Frauen und Mädchen auch.
Ich wurde von einem tschechischen Mann in den Rücken getreten. Das war sehr schmerzhaft, aber die tschechischen Ärzte konnten in diesen Fällen nur selten helfen.
Ich hatte eine Wohnung in Prag, in die ich nach dem 9. Mai 1945 nicht mehr zurückkehren konnte, weil Prag von den Russen besetzt war. Ich habe alles in Prag gelassen. Ich habe immer noch den Schlüssel zu meiner ehemaligen Wohnung in Prag.

… Nie werde ich die „Todesbrücke von Ausig“ in Ústí nad Labem vergessen, wo deutsche Kinder, Frauen und Männer - insgesamt 82 Menschen - über das Geländer in die Elbe geworfen wurden. Ich selbst habe die Toten gesehen, die flussabwärts bis nach Decin und dann noch weiter in Richtung Dresden geschwommen sind.

Das Ereignis in Ústí nad Labem wird auch in Výhledy (1993, Nr. 9) beschrieben: … So wurden zum Beispiel beim großen Pogrommassaker gegen die Deutschen am 31. Juli 1945 in Ústí nad Labem nicht nur die Deutschen, die eine obligatorische weiße Armbinde mit dem Buchstaben „N“ (Deutsch) trugen, von der Brücke in die Elbe geworfen und im Wasser erschossen, sondern auch diejenigen, die das Privileg hatten, eine rote Armbinde als Zeichen ihrer Anti-Nazi-Haltung zu tragen (und auch deutsche Kleinkinder, die vielleicht gar keine Armbinde tragen mussten)…

Unglaubliche Gräueltaten wurden auch von deutschen Soldaten verübt. Diese Ereignisse werden in der Národní politika (10. Mai 1945) beschrieben:
Deutsche Soldaten verbrannten eine tschechische Familie … In einer Villa am Rande der Cukrova-Straße sperrten die deutschen Barbaren die Bewohner in ein Zimmer im ersten Stock, warfen eine Brandbombe hinein und ließen die gesamte tschechische Familie dort verbrennen. Dies ist ein weiteres Beispiel für deutsche Brutalität.

Deutsche Kultur ohne Heuchelei… Die SS hat weder alte Männer noch Frauen oder Kinder verschont. Auf den Güterbahnhöfen Pražacka und Žižkov zum Beispiel wurden sie als Geiseln in eine Schule verschleppt und auf brutalste Weise beseitigt. Abgeschnittene Nasen, Ohren und Hände, abgeschnittene Lippen, mit Gewehrkolben zertrümmerte Körper und Köpfe, ausgestochene Augen, gebrochene Beine, in Gesichter geritzte Hakenkreuze, in einem geschlossenen Haus verbrannt, das sind die Spuren, die sie hinterlassen haben…

Etwa ein Jahr nach Ende des Krieges begannen sie mit der Organisation des Umzugs. Die meisten Deutschen waren bereits 1946 deportiert worden, aber die Deportation dauerte bis 1949 an, wie Barbara Kamenicky noch einmal beschreibt:
Meine Eltern erhielten (nach Kriegsende) keine Rente mehr und ich verlor meine Wohnung in Prag, so dass wir plötzlich ohne Mittel dastanden. Der Direktor von AEG (später ČKD) bot mir einen Job an. Ich hatte Glück. Er war zufrieden mit meinen Tschechischkenntnissen und meiner Arbeit an der Buchmaschine. … Ich war dort vom 4. Juni 1945 bis zum 30. Juni 1949 beschäftigt. … Das Nationalkomitee ordnete an, dass ich am 6. Juli 1949 unter Aufsicht von zwei Beamten zusammen mit sieben anderen deutschen Arbeitnehmern des Unternehmens ČKD das Land verlassen sollte.

Situation im Dorf

Unmittelbar nach Kriegsende herrschte erneut Unklarheit über die Vertreibung, und die Berichte, die erschienen, wurden von den Menschen, die von der Vertreibung betroffen gewesen sein könnten, für falsch gehalten.

Ann Collinsworth beschreibt dies so:
„Im Mai war die Arbeit für die Bauern wieder bereit und wir halfen erneut der Familie Kokaisl. Wir hatten den ganzen Sommer über bis zum Spätherbst zu tun. Anfang März 1946 erfuhren wir aus verschiedenen Nachrichten, dass die tschechische Regierung alle Deutschen deportieren würde und dass sie kein Recht mehr hätten, in diesem Land zu leben. Andere wiederum sagten uns, dass dies nur eine Erfindung sei und wir nicht auf so etwas hören sollten. Im April wurde mehr darüber gesprochen, aber noch immer wollte niemand daran glauben. In der ersten Maiwoche 1946, also genau ein Jahr nach dem Krieg, teilte der Bürgermeister meiner Mutter mit, dass wir nun vertrieben seien und 12 Stunden Zeit hätten, unsere Sachen zu packen. Um 8 Uhr morgens mussten wir am Bahnhof sein, wo sich mindestens 30 andere Familien in der gleichen Situation befanden. Wir hatten in der Nacht zuvor kaum geschlafen und vor allem konnten wir nicht glauben, dass so etwas passieren konnte, und die große Frage war, warum.

Nach Angaben der Ortschronik (Chronik des Dorfes Praporiste) wurden 103 Personen aus insgesamt 26 Familien für den Umzug vorgeschlagen. 26 der zur Abschiebung vorgeschlagenen Personen verließen jedoch illegal das Land und entgingen so einer organisierten Abschiebung. Gemäß der erlassenen Richtlinie wurden ältere Menschen, Kranke und Personen aus Mischehen nicht abgeschoben. Das Eigentum der Deutschen, auch derjenigen, die nicht ausgewandert waren, wurde dem Staat entzogen.

Karel Kokaisl beschreibt einen weiteren Teil des Umzugs:
Ich wurde beauftragt, einen Leiterwagen mitzubringen, um die Deutschen zu vertreiben. Es war ein ungewöhnliches Ereignis für sie. Sie durften nur Gegenstände bis zu einem Gesamtgewicht von 50 kg mitnehmen. Unter Tränen verließen sie ihre Heimat und stiegen in den Waggon, mit dem ich die vertriebenen Deutschen in die BRD brachte. Im Dorf Eschelkam habe ich angehalten, um die Deutschen aussteigen zu lassen. Die Einwohner von Eschelkam wollten sie jedoch nicht empfangen, aber der Vertreter der Gemeindeverwaltung, der für den Umzug zuständig war, befahl allen, ihre Sachen zu nehmen und zu verschwinden.

Die Welle der Gewalt, die nach Kriegsende gegen die Deutschen verübt wurde, ging auch an der Prapořiště nicht vorbei. Diese Gewalt wurde von den Menschen ausgeübt, die am meisten vom Krieg betroffen waren, vor allem, wenn sie nahe Angehörige im Krieg verloren hatten. Die Gewalt gegen Deutsche in dieser Zeit lässt sich jedoch nicht auf eine Bevölkerungsgruppe reduzieren. Oft genügte schon der Verdacht, dass ein bestimmter Deutscher ein Spitzel war, um verfolgt und in einigen Fällen sogar ermordet zu werden. Tschechen, die vor oder während des Krieges behaupteten, Deutsche zu sein, wurden die Haare geschoren und manchmal sogar an den Pranger gestellt.

Viele Deutsche mussten untertauchen, um ihr Leben zu retten, wie Karel Kokaisl beschreibt:
Es gab Deutsche in unserem Land, aber auch Russen, die dann nach Deutschland geflohen sind und sich den Amerikanern ergeben haben. Es geschah, dass die Deutschen zu uns kamen und bereits etwa zehn Wlassows in der Scheune waren. Meine Mutter gab ihnen zivile Kleidung und sie ließen ihre Uniformen dort. Noch heute haben wir die Lederjacken, die die Deutschen hinterlassen haben.

Aktuelle Beziehungen

Die Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen sind auch heute noch von den Ereignissen der Vergangenheit geprägt. Am sichtbarsten sind die in der Sudetendeutschen Landsmannschaft zusammengeschlossenen vertriebenen Deutschen, die für sich in Anspruch nimmt, ein Verhandlungspartner auf Regierungsebene zu sein, aber nicht alle vertriebenen Deutschen vereinigt.

Darüber hinaus gibt es eine Vereinigung vertriebener österreichischer Deutscher, die in der Österreichischen Landsmannschaft zusammengeschlossen sind und deren Vertreter für die Freiheitliche Partei im österreichischen Parlament sitzen. Diese Partei fordert auch die Aufhebung der Benes-Dekrete zur Nachkriegsvertreibung der Sudetendeutschen.

Laut Mladá fronta Dnes (27. Mai 1996) betreffen die Forderungen der Sudetendeutschen Landsmannschaft insbesondere den direkten Dialog zwischen der Regierung und der Sudetendeutschen Landsmannschaft, die Anerkennung der Nachkriegsvertreibung als Unrecht, die Anerkennung des Rechts auf Heimat für alle Sudetendeutschen und den Verzicht auf die Benes-Dekrete, insbesondere auf das Amnestiegesetz. Auch die Bundesregierung versucht nun, die Ergebnisse der Potsdamer Konferenz in Frage zu stellen, wie es in der Analyse des Bonner Auswärtigen Amtes heißt: „Die Bundesregierung hat in Übereinstimmung mit der deutschen Völkerrechtswissenschaft die Vertreibung der Deutschen nach Kriegsende stets als völkerrechtswidrigen Akt verurteilt. Sie hat die Schlussfolgerungen von Potsdam nie als Rechtfertigung für diese Ereignisse angesehen. (Mladá fronta Dnes, 1.2.1996)

Die Vereinigten Staaten von Amerika haben jedoch unmissverständlich die Gültigkeit der Potsdamer Konferenz verteidigt und eine offizielle Erklärung zu diesem Thema abgegeben: Die Schlussfolgerungen der Potsdamer Konferenz sind eine historische Tatsache, und die Vereinigten Staaten sind der Ansicht, dass kein Land sie in Frage stellen will. (Mladá fronta Dnes, 15. Februar 1996)

Diese amerikanische Erklärung wurde von den Vertretern der russischen und der britischen Botschaft unterstützt. Große Kontroversen gab es auch um die Verabschiedung der tschechisch-deutschen Erklärung, die als Beendigung der Streitigkeiten und Versöhnung zwischen den beiden Nationen angesehen wurde, doch gleichzeitig stritten die Politiker beider Seiten über fast jedes Wort des Textes. Die Mitglieder des Sudetendeutschen Rates waren auch über die Forderungen der tschechischen Seite nach Entschädigung für jüdische Holocaust-Opfer empört:

… die tschechische Regierung droht ein halbes Jahr nach der Verabschiedung der Erklärung unter dem Einfluss des Jüdischen Weltkongresses und amerikanischer Senatoren mit einer Schweiker-Komödie, um die Umsetzung der Erklärung zu stoppen, wenn die Holocaust-Opfer nicht entschädigt werden, schreibt Rudolf Hilf von der Sudetendeutschen Zeitung in der gestrigen Ausgabe. … (Lidove noviny, 6.9.1997)

Auch die tschechische Öffentlichkeit bewertet die gegenseitigen Beziehungen mit gemischten Gefühlen, sofern diese nicht eindeutig negativ sind. Die Bewertung der Deutschen hängt von den eigenen Erfahrungen mit den Deutschen ab, insbesondere während des Zweiten Weltkriegs. Die Forderungen der Sudetendeutschen werden in der Öffentlichkeit vor allem mit der Rückgabe des konfiszierten Eigentums in Verbindung gebracht. 80 % der befragten Tschechen sind dieser Meinung. (Mladá fronta Dnes, 14.7 1995)

Die tschechisch-deutschen Beziehungen werden laut Meinungsumfragen von 64 % der Befragten als positiv empfunden, während 21 % der Befragten die Beziehungen als schlecht einschätzen. (Metro, 18.11.1997)

Die Beziehungen auf Regierungsebene sind jedoch nicht die einzigen Beziehungen zwischen den beiden Nationen, und natürlich gibt es immer noch gute Beziehungen zwischen Menschen, die sich vor der Vertreibung kannten, und selbst die jahrelange Isolation durch die Unmöglichkeit, in die ehemalige Bundesrepublik Deutschland zu reisen, führte nicht zu einem vollständigen Abbruch der früheren Beziehungen. Neben den Treffen innerhalb der bekanntesten Organisationen der Sudetendeutschen fanden auch informelle Treffen von Einheimischen aus den vertriebenen Dörfern statt, wie in Výhledy (1992, Nr. 21) beschrieben. Der Bürgermeister von Neukirchen, Egid Hofmann, begrüßte die Rottenbaumer herzlich und machte keinen Hehl aus seiner Freude, dass sich trotz des schlechten Wetters so viele Rottenbaumer in der Aula der örtlichen Schule eingefunden hatten. Neukirchen hat die Patronanz über sie.

Nach der Wiedereröffnung der Grenze wurden die Beziehungen wieder intensiviert, was sich in einer Reihe von Projekten manifestierte, die größtenteils von den vertriebenen Deutschen finanziert wurden. Diese Projekte betrafen beispielsweise die Instandsetzung von Kirchen oder die Pflege von Friedhöfen in Dörfern, in denen diese Deutschen zuvor gelebt hatten.

Ernst Körner beschreibt dies:
Das tschechische Ehepaar (das jetzt im Haus der Familie E. Körner wohnt) folgte ebenfalls meiner Einladung und besuchte uns mehrere Tage lang in der neuen Heimat. Als Mitglied des Vereins für die ehemalige Neumark (Všeruby) bin ich an der Planung und Einrichtung einer Gedenkstätte auf dem örtlichen Friedhof beteiligt. Diese Aktivität bringt die beiden Nationen einander sehr nahe.

Schlussfolgerung

Die guten Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen während ihres jahrhundertelangen Zusammenlebens waren zu bestimmten Zeiten von Feindseligkeiten geprägt, die oft zu sehr harten Angriffen und Ungerechtigkeiten eskalierten. Die gegenseitige Feindseligkeit entwickelte sich im 19. Jahrhundert, in der Zeit der Gründung der unabhängigen Tschechoslowakei und trat Ende der 1930er Jahre sowie während und nach dem Zweiten Weltkrieg voll zutage.

Es zeigt sich, dass das Zusammenleben der beiden Nationen sowohl durch gegenseitige Kontakte als auch in gleichem Maße durch Regierungen und offizielle Vertretungen beeinflusst wird, wobei sich die Interaktion auf dieser hohen Ebene weitgehend negativ auswirkt.

Ein Beleg für die negativen Auswirkungen der Regierung und der politischen Repräsentation auf die Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen findet sich in den späten 1930er Jahren, als Henlein im so genannten Sudetenland an die Macht kam. Wären die Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen auf der Ebene der Dörfer oder Beziehungen zwischen den Nachbarn wäre die Situation kaum so extrem eskaliert, wie es zu verzeichnen war.

Auch die gegenwärtigen Bemühungen, die tschechisch-deutschen Beziehungen auf Regierungsebene durch die Verabschiedung einer Erklärung zu verbessern, sind entweder wirkungslos oder bewirken das Gegenteil. Die Beziehungen zwischen Tschechen und Deutschen können nicht durch eine Erklärung oder ein Statement auf höchster Ebene gelöst werden. Diese Beziehungen wurden im Laufe der Jahrhunderte aufgebaut, und Menschen aus beiden Nationen haben an diesem Aufbau mitgewirkt. Daher muss die Verbesserung der gegenseitigen Beziehungen wieder auf dieser Ebene stattfinden und eine neue Zusammenarbeit innerhalb der Gemeinschaften und Familien aufgebaut werden, ohne grundsätzlich durch die Vergangenheit belastet zu sein.

Barbara Kamenicky sagt:
Wir können und dürfen die 3,5 Millionen Deutschen nicht vergessen, die nach 1945 aus ihrer geliebten Heimat vertrieben wurden. Wir haben vergeben, aber wir können das Unrecht, das Millionen von Menschen angetan wurde, nicht vergessen. Herr, vergib uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldigern vergeben. Dann wäre das gemeinsame höchste Gut, das wir auf der Erde erreichen wollen, erfüllt.

Literatur und Quellen

Literatur

  • Barta, Erwin. Die Ansprüche der Tschechen auf das Sudetenland, Wien 1919.
  • Dějiny zemí Koruny české, II. díl, s. 78-132, Paseka, Praha 1992.
  • Chmelař, Josef. Das deutsche Problem in der Tschechoslowakei, Prag 1936.
  • Kalendář hospodářský a kancellářský / k zapisování a poznamenání všelijakých věcí/ ku potřebě uředníkům/ písařům/ hystorykům/ prokurátorům/ kupcům/ a obchody vedaucím: Vydaný od M.Albína Mollera z Štraupic. K Létu Páně 1622.
  • Kubačák, Antonín. Dějiny zemědělství v českých zemích, I. díl (od 10. století do roku 1900), Ministerstvo zemědělství ČR, Praha 1994.
  • Morell, Sydney. Viděl jsem ukřižování, Sudety 1938-39. Svědectví anglického novináře, který byl při tom. Jota, 1995.
  • Procházka, Zdeněk. Domažlicko a Kdyňsko, historicko-turistický průvodce č. 5, Nakladatelství Českého lesa, 1997.
  • Šalanda, Bohuslav. Od oběti ke spasiteli, Pražská edice, 1997.

Quellmaterial

  • Kronika obce Prapořiště, vedená od roku 1890, uložena u Josefa Kubíka / Chronik des Dorfes Prapořiště, geschrieben ab 1890, hinterlegt bei Josef Kubík, Prapořiště 121.
  • Lidová demokracie, Ausgabe vom 17. 6. 1945
  • Lidové noviny, Ausgabe vom 6. 9. 1997
  • Matrika farnosti Kdyně, Státní oblastní archiv v Plzni (Staatliches Gebietsarchiv in Pilsen), (Bd. 3) 1717–1744
  • Matrika farnosti Kdyně, Státní oblastní archiv v Plzni (Staatliches Gebietsarchiv in Pilsen), (Bd. 5) 1744–1767
  • Metro, Ausgabe vom 18. 11. 1997
  • Mladá fronta Dnes, Ausgabe vom 14. 7. 1995, Jg. VI.
  • Mladá fronta Dnes, Ausgabe vom 1. 2. 1996, Jg. VII.
  • Mladá fronta Dnes, Ausgabe vom 15. 2. 1996, Jg. VII.
  • Mladá fronta Dnes, Ausgabe vom 27. 5. 1996, Jg. VII.
  • Národní politika, Ausgabe vom 10. 5. 1945.
  • *Prager Tagblatt*, zit. in: Venkov, Ausgabe vom 3. 11. 1918.
  • Rudé právo, Ausgabe vom 6. 5. 1945.
  • Rudé právo, Ausgabe vom 18. 5. 1945.
  • Rudé právo, Ausgabe vom 26. 5. 1945.
  • Rudé právo, Ausgabe vom 19. 6. 1945.
  • Rudé právo, Ausgabe vom 22. 6. 1946.
  • Rudé právo, Ausgabe vom 5. 8. 1945.
  • Venkov, Ausgabe vom 29. 10. 1918.
  • Venkov, Ausgabe vom 3. 11. 1918.
  • Výhledy, Česko-bavorské výhledy, 1992, Nr. 9, Jg. 3, Woche 19/20.
  • Výhledy, Česko-bavorské výhledy, 1992, Nr. 12, Jg. 3, Woche 25/26.
  • Výhledy, Česko-bavorské výhledy, 1992, Nr. 21, Jg. 3, Woche 45/46.




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entwicklung_der_beziehungen_zwischen_tschechen_und_deutschen.txt · Poslední úprava: 25/11/2025 15:44 autor: kokaisl